Kaulhuhn

Kaulhuhn

Kaulhuhn – Belgische Rarität ohne Schwanz

Mit seinem charakteristischen Schwanzverzicht fällt das Kaulhuhn sofort ins Auge – eine seltene Hühnerrasse, deren Wurzeln bis ins 17. Jahrhundert nach Belgien zurückreichen. Diese geschichtsträchtige Variante besticht durch ihr aktives, soziales Wesen und ihre ausgeprägte Neugier, die sie zu intensiven Futtersuchern macht. Doch die fehlende Schwanzwirbelsäule erfordert eine angepasste Haltung, weshalb die Rasse erfahrene Geflügelhalter:innen anspricht, die sich der Herausforderung stellen möchten. Wer bereit ist, die Besonderheiten dieser vom Aussterben bedrohten Art zu verstehen, wird mit einem wachsamen und zugleich vertrauensvollen Begleiter belohnt – einem lebendigen Stück Landwirtschaftsgeschichte, das Individualität auf stillvolle Art verkörpert.

Wirtschaftlichkeit

S (klein)
150 pro Jahr
Gewicht Henne
0,55-0,65 kg
Gewicht Hahn
0,65-0,75 kg
Lebenserwartung
5–6 Jahre
Fleischansatz
Mittel
Bruttrieb
Mittel
Autosexing Nein
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Kaulhuhn: Spezifische Haltungsanforderungen

Kaulhühner sind durch ihre Schwanzlosigkeit prädestiniert für spezielle Haltungsbedingungen. Typisch ist ihr ruhiges, zutrauliches Wesen, das sich rasch an Menschen bindet. Aufgrund des fehlenden Schwanzes zeigen sie jedoch Begattungsschwierigkeiten bei Hähnen und eine um 30 % reduzierte Brutausbeute. Ihr Sozialverhalten ist geprägt von einer deutlichen, aber weniger aggressiven Hackordnung. Trotz kompakter Statur sind sie ausgeprägt aktive Futtersucher mit hoher Streifdistanz. Flugfähigkeit bleibt vollständig erhalten – Zaunhöhen unter 1,80 m sind unzureichend. Aufgrund der komplexen Brutbiologie und sensiblen Federgesundheit nicht für Anfänger geeignet.

Haltung & Fütterung

Rooststangen dürfen maximal 30 cm hoch sein, da das Gleichgewicht ohne Schwanz stark eingeschränkt ist. Verwenden Sie quadratische Stangenprofile (2×2 cm) für sicheren Stand. Der Auslauf benötigt mindestens 12 m² pro Tier aufgrund ihrer intensiven Scharraktivität. Erdige Bereiche mit Quarzsand (Körnung 0,5–1 mm) sind zwingend, um Staubbäder zur Kompensation der fehlenden Bürzeldrüse zu ermöglichen. Im Winter stellen Sie trockene, überdachte Sitzplätze bereit – nasse Federn führen schnell zu Unterkühlung. Füttern Sie in der Legephase 19 % proteinreiches Futter plus täglich 10 g Leinsamen zur Federgesundheit. Vermeiden Sie Streu im Legenest, da sie durch intensives Scharrverhalten Eier beschädigen.

Gesundheit & Besonderheiten

Federverschmutzung tritt gehäuft auf: Prüfen Sie wöchentlich Brust- und Bauchfedern auf Verklebungen. Bei Regenwetter stellen Sie sofort trockene Schutzbereiche bereit – die unaufgeölten Federn verlieren isolierende Wirkung. Beim Brüten ersetzen Sie 30 % der Eier durch Holzkuckuckseier, da Hennen ohne Schwanz Eier nicht zuverlässig umdrehen können. Die natürliche Brutausbeute liegt bei unter 60 % – künstliche Bebrütung ist oft notwendig. Vermeiden Sie enge Volieren, da das fehlende Balancierorgan bei plötzlichen Fluchtbewegungen zu Verletzungen führen kann.

🏠 Platzbedarf & Klimaresistenz

Stallplatzbedarf
Normal
Auslaufbedarf
Normal
Kälteresistenz
Mittel
Wärmeresistenz
Sehr gering

🧠 Charakter & Verhalten

Nutzung Zweinutzungsrasse, Rassehühner
Farbschläge goldhalsig, silberhalsig, orangenhalsig, goldfarbig-gebändert, wildfarbig, blau-goldhalsig, blau-silberhalsig, gold-weizenfarbig, rotgesattelt, schwarz, weiß, blau, perlgrau, gelb, gesperbert, schwarz-weißgescheckt, goldbraun-porzellanfarbig, gold-schwarzgetupft, silber-schwarzgetupft, gold-schwarzgesprenkelt, silber-schwarzgesprenkelt, gold-schwarzgeflockt, silber-schwarzgeflockt, gelb-schwarzgeflockt, gelb-weißgeflockt
Charakter aktiv, sozial, wachsam
Sozialverhalten Verträglich
Aktivität Lebhaft
Lautstärke Mittel
Flugfähigkeit Gut

Kaulhuhn: Ursprung & Historische Entwicklung

🇧🇪 Belgien
1600

Das Kaulhuhn, auch als Kluthuhn in historischen Quellen bezeichnet, entstand vermutlich im belgischen Raum um das Jahr 1600. Erstmals dokumentiert erwähnte Ulysses Aldrovandi um 1600 schwanzlose Hühnertypen, während Johann Conrad Bechstein 1793 in seinen zoologischen Schriften diese Rasseform detailliert beschrieb. Die Zucht erfolgte durch gezielte Selektion lokaler Landhühner unter möglicher Einflussnahme italienischer Vorläufer wie der Italiener – erkennbar an der rebhuhnartigen Grundfärbung und der charakteristischen Schwanzlosigkeit. Deutsche Züchter des 19. Jahrhunderts prägten den Rassestandard, indem sie Gewicht (Hennen 0,55–0,65 kg) und Legeleistung (für damalige Verhältnisse bemerkenswerte 150 Eier/Jahr) optimierten. Die gezielte Entwicklung als Zweinutzungsrasse diente ursprünglich der Eier- und Fleischproduktion in bäuerlichen Haushalten. Bis in die 1950er-Jahre wurden Kreuzungen mit Augsburger Hühnern durchgeführt, um die Körpermasse zu stabilisieren. Durch den Zweiten Weltkrieg geriet die Rasse jedoch stark gefährdet, da industrielle Geflügelhaltungschwanzlose Rassen bevorzugte.

Bedeutung & Moderne Entwicklung

Historisch als robuste Gebirgshuhn-Alternative geschätzt, verlor das Kaulhuhn ab den 1960er-Jahren stark an Bedeutung. Erst durch engagierte Erhaltungszuchten in den 1980er-Jahren wurde der Bestand vor dem Aussterben bewahrt. Heute zählt es mit wenigen Züchtergemeinschaften zu den seltensten europäischen Rassen, wobei der Ruhlaer-Zwerg-Kaulhühner-Club entscheidende Impulse für die Renaissance setzte. Aktuelle Zuchtziele konzentrieren sich auf die Verbesserung der Brutausbeute, während gleichzeitig die historische Optik als kulturhistorisches Gut bewahrt wird. Die Rasse gilt heute als lebendiges Zeugnis traditioneller Geflügelzucht vor der Industrialisierung.

📈 Bekanntheit & Status

Bekanntheit
Regional bekannt
Beliebtheit
Neutral / Durchschnittlich

Häufig gestellte Fragen❓

+Warum ist das Kaulhuhn trotz seiner vollständigen Flugfähigkeit besonders anspruchsvoll in der Haltung und welche Zaunhöhe ist zwingend notwendig?

Das Kaulhuhn besitzt trotz seiner Schwanzlosigkeit eine uneingeschränkte Flugfähigkeit, was bedeutet, dass Zäune unter 1,80 m Höhe leicht überwunden werden – eine Besonderheit, die viele unterschätzen und die in der Praxis oft zu Ausbrüchen führt; daher sind mindestens 1,80 m hohe, engmaschige Zäune Pflicht.

+Welche speziellen Herausforderungen ergeben sich beim Brüten mit Kaulhühnern, und warum werden Holzkuckuckseier eingesetzt?

Da Kaulhühner ohne Schwanz die Eier beim Brüten nicht zuverlässig wenden können, liegt die natürliche Brutausbeute bei unter 60 %; um dies zu kompensieren, ersetzt man etwa 30 % der Eier durch Holzkuckuckseier, sodass die Henne die echten Eier nicht beschädigt oder verklebt, und oft ist künstliche Bebrütung unverzichtbar.

+Welche gesundheitlichen Besonderheiten erfordern bei Kaulhühnern besondere Aufmerksamkeit und wie sollte die Stallausstattung angepasst werden?

Wegen des fehlenden Schwanzes neigen Kaulhühner zu Federverschmutzung und Gleichgewichtsproblemen: Sitzstangen dürfen maximal 30 cm hoch sein und sollten quadratisch (2×2 cm) ausgeführt werden, während wöchentliche Kontrollen der Brust- und Bauchfedern auf Verklebungen unabdingbar sind, insbesondere bei Regenwetter, da nasse, unaufgeölte Federn rasch zur Unterkühlung führen können.

+Wie beeinflusst die Schwanzlosigkeit das Sozial- und Brutverhalten der Kaulhühner im Vergleich zu anderen Rassen?

Die Hackordnung bei Kaulhühnern ist zwar deutlich ausgeprägt, aber weniger aggressiv als bei vielen anderen Rassen; Hähne haben jedoch aufgrund der fehlenden Schwanzwirbelsäule Begattungsschwierigkeiten, was zu etwa 30 % weniger befruchteten Eiern führt und die Nachzucht erschwert.

+Was macht das Kaulhuhn historisch und genetisch zu einer der außergewöhnlichsten europäischen Hühnerrassen?

Das Kaulhuhn ist seit mindestens 1600 dokumentiert und stammt aus Belgien, wobei es als lebendes Zeugnis vorindustrieller Geflügelzucht gilt; seine charakteristische Schwanzlosigkeit beruht auf einer genetischen Mutation, die gezielt selektiert wurde – dies macht es heute zu einer der seltensten und kulturhistorisch bedeutendsten Zweinutzungsrassen Europas.

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